Zeit.Raum.Land // Ergebnispräsentation des Symposiums im Offspace Kaisitz

Zeit.Raum.Land

Zeit.Raum.Land // Ergebnispräsentation des Symposiums im Offspace Kaisitz

Zeit.Raum.Land // Ergebnispräsentation des Symposiums im Offspace Kaisitz

Im Juli und August 2021 fand das Symposium »Zeit.Raum.Land« im Offspace Kaisitz, nahe Meißen, statt.10 Künstler:innen – versehen mit Stipendien und durch eine Fachjury ausgewählt – arbeiteten vor Ort zum Thema Land-Art und timebased-Art.

Als Kooperation von Offspace Kaisitz, dem Kunstverein Meißen e.V. und dem Bund Bildender Künstler Leipzig e.V. spannt das Projekt den Bogen zwischen Metropole und ländlichem Raum.

Aus dem Symposium ist eine Ausstellung hervorgegangen, die an allen drei Orten gezeigt wird.

Abbildung: Elizabeth Gerdeman & Michael Hahn, Room With A View, 2021, Holz, Ölfarbe © Martin Buhlig

Zeit.Raum.Land wurde gefördert von der Kultustiftung des Freistaates Sachsen, dem Kunstverein Meißen e.V. und dem Förderkreis BBK Leipzig e.V.

 

Künstler:innen
Michal Fuchs
Elizabeth Gerdeman / Michael Hahn
Marcus Große
Anna Herbert
Leonard Korbus
Reinhard Krehl
Lucas Oertel / Heinz Schmöller
Luzia Rux

Künstlerische Projektleitung
Martin Buhlig

Vernissage: 04.11.2021 ab 18 Uhr

Laufzeit: 05.11. bis 02.12.2021
Im Sinne der Notverordnung des Landes Sachsen ist der 4D Projektort ab dem 22.11. bis zum 12.12.21 geschlossen.

Midissage mit digitalem Künstler:innengespräch: 24.11.2021 18 Uhr
Hier geht es zum digitalen Gespräch.

Ort: Projektort 4D des BBK LEIPZIG e.V., Tapetenwerk Leipzig, Haus B, Lützner Straße 91, 04177 Leipzig

Öffnungszeiten
Fr 05.11. und Sa 06.11. 14 – 18 Uhr
regulär Di, Mi & Do 14 – 18 Uhr
und nach Vereinbarung

Die Ausstellung findet unter Einhaltung der zu diesem Zeitpunkt geltenden Infektionsschutzregelungen statt.

 

»Die Künstler kommen.«

Seit dem ersten Künstler:innentreffen in Kaisitz im Jahr 2012 erfolgt diese Parole mit schöner Regelmäßigkeit und wird von den Bewohner:innen des kleinen Dorfes mit gemischten Gefühlen aufgenommen: Neugier, Antizipation, vielleicht auch ein bisschen Bangen, ob und wie sehr die Ruhe und Ordnung gestört wird.

Spätestens seit dem 19. Jahrhundert, das mit der Malerei unter freiem Himmel (en plein air) mehr und mehr Künstler:nnen aufs Land lockte – versprach ebenso die »Sommerfrische« für den Stadtbewohner eine Verheißung von Idyll, Ruhe und Nähe zur Natur. Doch was bedeutet das eigentlich, wenn Menschen von anderswo (meistens aus Städten) in einem Dorf zu Gast sind, noch dazu Künstler:innen? Traditionell fungierten diese Residenzen eher als Rückzugsorte (Retreat) für die Künstler:innen mit dem Ziel der Sammlung und Ungestörtheit, der Innenschau. Wie lässt sich diese Einseitigkeit öffnen, wie kann daraus eine Begegnung werden mit gegenseitigem Mehrwert? Wie können ländliche Räume und Menschen, die in ihnen leben, vom »Kommen der Künstler« profitieren? Wie können wir uns den Räumen, der Umgebung, der Landschaft, den Menschen annähern und sie kennenlernen? Welche Themen beschäftigen die Personen vor Ort und darüber hinaus uns als Gesellschaft? Welche Fragen stellen sich? Und welchen Beitrag kann künstlerisches Schaffen leisten zu diesen Themen, was können wir sagen?
Am Anfang: Fragen.

»Zeit.Raum.Land« setzt sich damit auseinander, welche gegenseitige Inspirationen sich aus der Verbindung von Dorf und Stadt ergeben können. Es geht ums Dynamische: zwischen innen und außen, Stadt und Land, Forschen und Schaffen, Sammeln und Bauen, Fragen und Verstehen, Gemeinschaft und individuellen Prozessen. Was heißt es, prozesshaft zu arbeiten? Für unser Projekt hieß das zuerst – nicht nach Bewerbungen und Projektierungen zu schauen, die bereits im Vorfeld definiert waren, wie es normalerweise in den Residenzen der Fall ist. Uns war es ein besonderes Anliegen, etwas anderes auszuprobieren und Künstler:innen einzuladen, sich auf einen Ort, auf ein Gefüge von Diskursen und Beziehungen einzulassen und dann dort, im tatsächlichen Erleben, zu schauen, welche Fragen sich stellen und welche künstlerischen Praktiken und Auseinandersetzungen Öffnungen schaffen können, Verschiebungen von Sichtweisen oder Blickwinkeln.

Zeit
Hochsommer. Erntezeit. Die goldenen Weizenfelder – jede Minute zählt, geerntet wird auch nachts. Diese Betriebsamkeit und Weite macht uns noch deutlicher, dass es sich bei den uns umgebenden Landschaften um industrielle Räume handelt, die im großen Stil hochtechnisiert bewirtschaftet und geprägt werden. Gleichzeitig zeigt sich uns in dieser Zeit ein goldener Abglanz scheinbar vergangener Zeiten, erinnern wir uns an Rituale, Gemeinschaft, zelebrieren selbst die Fülle an langen Abenden und gedeckten Tischen.

Das besondere an Symposien, Residenzen und Pleinairs ist neben dem Ortswechsel auch die Freistellung von Zeit, die Herauslösung aus dem (Arbeits-)Alltag und den gewohnten Abläufen. Zeit haben. Die Möglichkeit, sie anders zu nutzen. Zeit haben, die nicht schon mit neuen Abläufen und Strukturen und klaren Plänen strukturiert ist – herausfinden können, was »Zeit haben« bedeuten kann.

Raum
Ein leerer Raum. Ganz ohne Möbel, ohne Werkzeuge, Material, ohne festgelegte Arbeitsplätze, Aufteilung, Nutzungsbestimmung. Der Studio-Space im ehemaligen Kuhstall des Wohnhauses wurde in den letzten beiden Jahren umgebaut und bekam direkt vor Beginn des Symposiums, unterstützt durch eine Crowdfunding-Kampagne, seinen Betonfußboden. Das Entstehen des neuen Arbeitsraumes bedeutet für Offspace Kaisitz den Beginn einer neuen Phase – Wie wollen wir arbeiten? Welche Strategien und Werkzeuge brauchen wir?

Die thematische Verortung oder Ausrichtung von »Zeit.Raum.Land« auf die Bereiche der Land Art und der zeitbasierten Künste führte dazu, dass sehr unterschiedliche künstlerische Positionen und Arbeitsansätze zusammen kamen. Entsprechend vielfältig waren die Bedürfnisse an den Raum und die Arbeitssituationen. Das erste Bedürfnis: ein Tisch und Stühle, eine Leinwand und ein Projektor – wir wollten uns gegenseitig von unserem Schaffen erzählen, Arbeiten zeigen und diskutieren. Später kamen Materialien, Arbeitstische, Werkzeuge und Geschirr, vieles improvisiert.
So zeigte sich gleich von Beginn an, dass der Studio-Space nicht allein Produktionsort, sondern vor Allem auch ein sozialer Ort, ein Ort des Austausches und der Begegnung sein will. Soziale Orte und öffentliche Räume, so stellen wir fest, gibt es in diesem ländlichen Raum fast gar keine mehr. Die Bushaltestelle als letzte Insel trägt Spuren von Generationen von Jugendlichen und ihren eingeschriebenen Botschaften. Wo findet heute soziales Leben statt?

Land
Während noch zu DDR-Zeiten ein großer Teil der Landbevölkerung unmittelbar oder mittelbar an der landwirtschaftlichen Arbeit beteiligt war, ist heute die Landwirtschaft Lebensgrundlage nur noch weniger Menschen. Was früher verbindendes Element, gemeinsamer Rhythmus war, erscheint heute mehr als ein Nebeneinander individualisierter Lebensentwürfe, zurückgezogen ins Private. Ist das gut oder schlecht? Wo ereignet sich Gemeinschaft? Viele unserer Begegnungen erzählen von der Sehnsucht danach, von der Auflösung und dem Verlust dieses Zusammenhaltes, oder zumindest: den Anlässen und Orten, sich überhaupt zu begegnen.

Welche Vorstellungen haben wir von »Landschaft«? Laufen, flanieren, spazieren, Motocross: Aneignung des Raumes durch Bewegung. Aufspannen, ausmessen, entdecken. Auf der Suche nach etwas wie »Natur« oder »Wildnis« in den Kerben zwischen den Feldern. In den letzten Resten von Wald finden sich Bären.

Martin Buhlig (entnommen aus dem Vorwort des Katalogs zu Symposium und Ausstellung)

Ausstellungsansichten Zeit.Raum.Land
Fotos: Marcel Noack

Impressionen von der Eröffnung am 4.11.21.
Fotos: Fabian Heublein