Ausstellungsdauer: Oktober 2017 bis Januar 2018
Die Stadt Torgau besitzt eine beeindruckend erhaltene Altstadt mit über 500 Denkmalen aus der Zeit der Renaissance. Zugleich war sie mit Schloss Hartenfels ein zentraler Ort der Reformation. Epochen und Begebenheiten, Neubauten und Umbauten, Alltag und Arbeit fanden nicht nur Ausdruck in den jeweils zeitgemäßen Medien. Natürlich hinterließ auch das fundamentale Ereignis der Reformation vielfältige Spuren. Was sich niederschlägt, finden wir heute in Formen, die ornamental interpretiert werden können. Sie umgeben uns täglich, nicht nur dekorativ, sondern auch kommunikativ.
Eine Fachjury hatte im Juni in Torgau unter dem Titel „ORNAMENT – Spurensuche in der Torgauer Stadtlandschaft“ vier Entwürfe für Kunst im öffentlichen Raum ausgewählt. Die Ergebnisse dieses offenen künstlerisch-konzeptionellen Ideenwettbewerbes sind zwar temporär realisiert, sie werden aber lange im Gedächtnis haften bleiben. Die Torgauer und ihre Gäste sind eingeladen, sich entlang dieser Ornamente, Spuren und Zeichen ihren Weg durch die Stadt zu bahnen. Auf sinnlich erfahrbare Weise, mit Bild, Ton und Duft werden bekannte Orte neu gesehen, bisher unbekannte entdeckt.
Die Installationen (Ina Geißler), Interventionen (Hannah Schneider) und Objekte (Alessandra Donnarumma, Anett Lau) setzen sich damit auseinander, wie wir miteinander sprechen und leben. Die Kunstwerke erinnern an Erlebnisse und Geschehnisse; sie stellen dabei eine Verbindung zu unserer Gegenwart her. Was erzählen uns die Zeichen der Zeit? Welche sozialen Werte sind uns wichtig? Welche Spuren hinterlassen wir?
Eine Installation von Ina Geißler wird eine Straße im Stadtzentrum scheinbar abtrennen: Ein farbiger Buchstabenteppich aus Worten wie Einander/Aufeinander/Zueinander/Miteinander bildet einen Vorhang. Tatsächlich wird Einander durchlässig bleiben. Die Menschen in der Stadt können sich hindurch bewegen. Visuell prägnant fügt sich das Kunstwerk in den Alltag ein und ruft wichtige soziale Werte ins Bewusstsein.
Die Intervention von Hannah Schneider richtet sich auf die Torgauer Nikolaikirche. Shine – Glanz für Nikolai wird spiegelnd die schadhafte Haut der früheren Kirche und damit Spuren markieren, die an diesem Ort die Zeitläufe hinterließen, aber auch die wunderbare Form des Gebäudes hervorheben. Die „Rückblende“ spiegelt die lebendige Umgebung und stellt dabei eine Verbindung zu unserer Gegenwart her.
Das Objekt Stargate von Alessandra Donnarumma lenkt den Blick zum Himmel. In der Auseinandersetzung mit dem Torgauer Mediziner und Naturforscher Johannes Kentmann wird sich so in Torgau ein „Sternentor“ öffnen. Eine ganz bodenständig montierte Holzscheibe ist mit Schnitzereien bedeckt, die sich auf Illustrationen in Kentmanns Werken beziehen. Von ihr aus wird ein Licht unsere Erde mit dem Kosmos verbinden.
Anett Lau ging für ihr Objekt und ihren virtuellen Rundgang Leben und Tod rungen (www.lebenundtodrungen.de) von einem Gedicht Martin Luthers und vom Motiv der Arabeske aus, das in Torgau sehr präsent ist. Eine Säule mit einem QR-Code lädt die Torgauer und ihre Gäste ein, sich entlang dieses Rankenornamentes ihren Weg durch die Stadt zu bahnen. Eine Webseite erlaubt es, diese Entdeckungsreise unabhängig von Ort und Stelle nachzuvollziehen und zu vertiefen.
Heidi Stecker, Kunstwissenschaftlerin, Leipzig
Fotos: Sebastian Kiss